VDI2077
Rohrwärme VDI2077In Verbindung mit z.B. Einrohr-Heizungsanlagen weisen Heizkostenabrechnungen teilweise erhebliche Kostenverfälschungen auf. Die in Rechnung gestellten Heizwärmeverbräuche entsprechen nicht dem tatsächlichen Wärmebezug des Nutzers: Vielverbraucher werden zu hoch belastet, während Niedrigverbraucher eine zu große Entlastung erfahren. Die abgerechneten Heizkosten werden damit in einem gewissen Umfang von den Niedrigverbrauchern auf die Vielverbraucher verlagert.
Der Effekt tritt verstärkt in Anlagen auf, deren Wohneinheiten einen hohen Anteil an unerfasster Nutzwärme, also Rohrwärme, aufweisen. Diese Rohrwärme wird durch ungedämmte Heizungsrohre abgegeben. Bei Einrohranlagen mit senkrechter Verteilung (überwiegend in den östlichen Bundesländern) erfolgt die Rohrwärmeabgabe über die ungedämmten, senkrecht durch die Räume verlaufenden Strangleitungen. Dagegen wird bei waagerechten Einrohranlagen (überwiegend in den westlichen Bundesländern) die Rohrwärme über gering gedämmte Heizungsrohre abgegeben.
Mit der VDI 2077, die in der novellierten Heizkostenverordnung (gültig ab 01.01.2009) aufgenommen worden ist, kann nach "anerkannten Regel der Technik" der Verbrauch der Rohrwärme für die einzelnen Nutzer berechnet werden (nur bei elektronischen Heizkostenverteilern). Die Rohrwärme soll dabei unter den folgenden 3 Bedingungen bei der Heizkostenabrechnung berücksichtigt werden:
- Die Erfassungsrate E der Anlage unterschreitet die kritische Grenze von 0.34. Der nicht erfasste Wärmeverbrauch durch die Rohrwärmeabgabe muss wesentlich sein. Das wird mithilfe des Verbrauchswärmeanteils (der Erfassungsrate) bestimmt. Dazu wird verglichen, wie viel Heizwärme in das Gebäude eingeflossen ist und welchen Anteil davon die Erfassungsgeräte in den Räumen der Mieter verzeichnet haben. Bei verbundenen Anlagen ist vorab der Warmwasserkostenanteil in Abzug zu bringen. Wird der Wärmeverbrauch zur Erwärmung des Wassers mit einem Wärmezähler gemessen, ist zur Berechnung des Energieverbrauchs zusätzlich ein Nutzungsgrad zu berücksichtigen. Den Wärmeverbrauch auf diese Weise zu ermitteln, ist deshalb möglich, weil elektronische Heizkostenverteiler in der Regel so kalibriert sind, dass eine angezeigte Einheit einer kWh entspricht (sog. Basisempfindlichkeit). Hat die Basisempfindlichkeit einen anderen Wert als 1, ist das bei der Berechnung zu berücksichtigen. Der kritische Grenzwert für die Anwendung der VDI-Richtlinie beträgt 0,34. Ist der Verbrauchswärmeanteil <= diesem Wert, ist dieses Anwendungskriterium erfüllt. Berechnung nach Formel (1).
- Der Anteil der Nutzeinheiten mit Niedrigverbrauch ist höher als 15%. Ein Rohrwärmefall ist gekennzeichnet durch einen hohen Anteil von Niedrigverbrauchern. Ein Niedrigverbraucher ist definiert als eine Nutzeinheit, dessen Verbrauchsfaktor maximal 0,15 beträgt (Berechnung nach Formel (3)). Der Verbrauchsfaktor ist in diesem Fall das Verhältnis von Verbrauch/Fläche der Nutzeinheit (summiert über alle Nutzer der Nutzeinheit) zum Verbrauch/Fläche der gesamten Anlage. Ein Faktor von 2,0 besagt z. B., das bei dieser Nutzeinheit doppelt so viele Einheiten/m² wie im Durchschnitt verzeichnet wurden. Der Anteil der Nutzeinheiten mit Niedrigverbrauch an der Gesamtzahl der Wohneinheiten muss wiederum >= 15% (0,15) sein.
- Die normierten Verbrauchsfaktoren der Nutzeinheiten weisen eine Standardabweichung von >= 0.85 auf. Bei einer erhöhten Rohrwärmeabgabe gibt es typischerweise auffällig viele Nutzeinheiten, die einen erheblich höheren und erheblich niedrigeren Verbrauch als der Durchschnitt verzeichnen. Um dies zu erkennen, wird die Verbrauchsspreizung ermittelt. Dazu wird die Standardabweichung der normierten Verbrauchswerte berechnet (Formel (5)). Die Standardabweichung gibt an, wie stark diese Werte um den Mittelwert (hier 1) streuen. Die Standardabweichung muss >= 0.85 sein. Berechnung der einzelnen Kenngrößen nach Formel (4), (5) und (6).
Dieses VDI-Verfahren ist nur bei elektronischen Heizkostenverteilern durchführbar, nicht bei Verdunstungsgeräten. Heizkostenverteiler, die nach dem Verdunstungsprinzip funktionieren, sprechen in einem gewissen Maße auch auf die von den Verteilleitungen abgegebene Wärme an. Das wirkt sich nivellierend aus. Deshalb sind die Kostenverzerrungen beim Einsatz dieser Geräte nicht so gravierend.
Die Berechnung der einzelnen Kenngrößen erfolgt nach folgenden Formeln:
Die Wärmemenge Q (nach VDI 2077 immer heizwertbezogen) für die Heizung (Heizwärme) ist noch mit einem Korrekturfaktor (Nutzungsgrad bei Wärmeerzeugung) zu multiplizieren. Dieser Faktor hat den Wert 0.8 (80%) bei Kesselanlagen und 1.0 bei Fernwärmeanlagen (100%). Falls es sich um einen brennwertbezogenen Brennstoff handelt (z.B. bei Erdgas, hier ist in der Formel für den Warmwasseranteil der zusätzliche Korrekturfaktor 1.11 enthalten), dann errechnet sich die heizwertbezogene Wärmemenge Q für Heizung aus der brennwertbezogenen Wärmemenge Heizung Q(B) dividiert durch den Faktor 1.11 (Q = Q(B)/1.11, wobei Q(B) sich aus der Differenz der gesamten Wärmemenge und der auf die Wassererwärmung entfallende Wärmemenge ergibt).
Die Korrektur einer Abrechnung erfolgt erstmalig mit einer Erfassungsrate von < 0.34. Bei Folgeabrechnungen wird die Korrektur solange durchgeführt, wie die Erfassungsrate unter dem kritischen Wert von 0.43 liegt. Werte über 0.43 ergeben immer eine Rohrwärme von 0.
Die Rohrwärme gibt den Verbrauch pro m² wieder. Diese Rohrwärme ist mit der Fläche des Nutzers zu multiplizieren, um den tatsächlichen Verbrauch an Rohrwärme zu ermitteln. Der Gesamtverbrauch eines Nutzers ist dann der über die Heizkostenverteiler ermittelte Verbrauch und der Verbrauch der Rohrwärme. Bei Auszug ist der Anteil der Rohrwärme nach Gradtagen zu wichten.